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Bewegte Bilder für neue Wege mit neuen Gangarten

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Felix Kostrzewa, Initiator und Projektleiter der Utopianale, zieht eine allererste Bilanz

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Das Utopianale-Konzept: Filme vorführen, die positive Beispiele zeigen, wie wir unsere Welt verändern können, in den Pausen ausreichend Raum schaffen, um ins Gespräch (über Veränderungen) zu kommen und in Form von Workshops, einem MitbringFrühstück, einer Mitkochaktion und interaktiven Formaten wie einem World Café diesen Austausch zusätzlich triggern. Filme brennen sich ein. Wir Menschen sind in unserer zumindest bewussten Wahrnehmung nunmal zu ungefähr 70 Prozent auf den visuellen Kanal gepolt. Bewegte Bilder berühren, lassen uns miterleben und emotional “mitgehen”, sprechen auch andere Sinne an. Vielleicht können bewegte Bilder auch etwas in Gang bringen…?

Die zweite Utopianale am 22.02.2014 brachte so einige Menschen in Gang: der Vorführungssaal in der Faust-Warenannehme war rappelvoll, auch die Workshops besuchten viele Menschen. Das Interesse am Thema “Gesellschaftliche Verantwortung” insbesondere an der Ernährung, unter dessen Motto die Utopianale stand, war also groß. Gestern habe ich den Utopianale-Macher Felix Kostrzewa zum nachbereitenden Interview getroffen. Wir sprachen über die Sehnsucht nach gesellschaftlicher Veränderung, warum trotz dieser Sehnsucht noch viele Initiativen Träume bleiben, wie ein Co-Working von Ehrenamtlichen und bezahlten Kräften funktionieren kann und welches persönliche Fazit Felix nach der Utopianale zieht.

Die 2. Utopianale hat mit insgesamt 340 Besucher*innen einen ungeheuren Ansturm erlebt. Warum war der Zuspruch so groß?
Ich glaube, das ist eine Kombination aus mehreren Komponenten: zum einen haben die Menschen wohl die Lust, sich auf Grundlage positiver Dokumentationen zu informieren; die Themen „Ernährung“ und „Veganismus“ sind gerade buchstäblich in vieler Munde. Zum anderen haben wir mit vereinten Team-Kräften dafür gesorgt, dass die Utopianale sichtbar wurde: wir haben Flyer verteilt, das Thema in Social Networks verbreitet, es über vielfältige Kanäle beworben. Unser Kommunikationskonzept hat offenbar gezündet.

Nach aktuellen Schätzungen sind 800.000 Menschen in Deutschland Veganer, Tendenz nahezu täglich steigend. In den meisten anderen Bereichen funktioniert der gesellschaftliche Wandel allerdings nicht. Warum interessieren sich Menschen also für das Thema „Verantwortung“, beispielsweise in dem sie die Utopianale besuchen, es ändert sich dann aber trotzdem relativ wenig?
Ich denke, das liegt darin begründet, dass viele Visionen darauf beruhen, dass nicht nur ein Mensch sich ändert, sondern viele gemeinsam an einem Strang ziehen müssten, beispielsweise bei der Gemeinwohlökonomie, Regiogeld, der Gründung einer landwirtschaftlichen Kooperative. Dieses Miteinander erfordert neue Formen der Kooperationen, die viele von uns erst noch lernen müssen. Aktivisten stehen vor zwei großen Herausforderungen: Daneben dass sie neue Wege beschreiten wollen, müssen sie auch noch das „Wie“ neu definieren –nicht nur das „Wohin des Weges“ ist also neu, sondern es ist auch die Gangart, die wir noch nicht kennen. Der klassische Weg des Machens mit hierarchischen Strukturen ist Teil unseres Problems. Neue Wege finden gepaart mit neuen Gangarten – diese Dopplung ist oft sehr anstrengend, während des Prozesses passieren häufig Missverständnisse, so dass auf dem Weg dahin oft Menschen aufgeben.

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Glücklicher Mann mit Kappe vorm wohlverdienten Urlaub: Utopianale-Macher Felix Kostrzewa

Was ist Dein persönliches Fazit zur 2. Utopianale wenige Tage danach?
Zunächst einmal bin ich persönlich sehr, sehr stolz, dass die Utopianale ein so großer Erfolg war. Vor einem Jahr war die Utopianale noch ein großer Traum; jetzt ist er wahr geworden. Außerdem bin ich auch froh und erleichtert, dass alles geklappt hat, niemand sich verletzt hat. Bis eine Veranstaltung gelaufen ist, bewegt man sich ja immer in einem Korridor von Unsicherheit. Toll finde ich auch, dass unser Teamwork so großartig funktioniert hat. In der gesamten Vorbereitung und auch während der Veranstaltung am Samstag haben 20 bis 30 Menschen an einem Strang gezogen. Ohne uns alle wäre das nicht möglich gewesen. Jetzt freue ich mich, dass wir bald gemeinsam im Team unseren Erfolg feiern.

Du hast eben gerade gesagt, dass das Teamwork klasse funktioniert hat. Das ist ja leider nicht immer so – siehe meine Frage von eben. Das Utopianale-Team setzt sich sowohl aus Menschen zusammen, die für ihre Leistung bezahlt wurden als auch aus Ehrenamtlichen. Wie hat dieses Miteinander funktioniert, ohne dass Unstimmigkeiten aufkamen?
Eine der Voraussetzungen, dass eine solche Konstellation funktioniert, ist meiner Ansicht nach Transparenz. Ich habe ganz klar kommuniziert, wer Geld bekommt, und es bestand immer die Möglichkeit nachzufragen, zu hinterfragen und offen anzusprechen. Wichtig ist natürlich auch, das Engagement aller insgesamt zu würdigen und zu wertschätzen, immer wieder. Das bereitet allen Beteiligten Freude, nicht nur denen, die gelobt werden. Unser Team bestand übrigens zu circa 50 Prozent aus bezahlten Kräften, wobei die meisten aufgrund unseres Budgets nur eine Aufwandsentschädigung bekamen, und zu 50 Prozent aus ehrenamtlichen Engagierten.

Was waren die für Dich bewegendsten Momente an diesem Wochenende und in der Planungsphase? Und welches die herausforderndsten?
Mein herausforderndster Moment war wenige Tage vor dem Event. Ich telefonierte mit einem Partner und der machte sich Sorgen, die Utopianale könne zu voll werden. Er äußerte die Befürchtung, es könne zu eng werden; wir müssten für ausreichende Fluchtwege sorgen und so weiter. Da war mein Kopfkino ordentlich am Laufen, und ich hatte doch arge Bedenken…

Umso erleichterter bin ich, dass der Luftballon „Utopianale“ zwar prall gefüllt war, aber eben nicht zerplatzt ist. Wir waren eben aber auch gut eingestellt und sensibilisiert. Einige Male müssten wir die Warenannahme kurzzeitig schließen und haben keine Gäste mehr hereingelassen, sonst wäre es wirklich zu voll geworden.

Einer der berührendsten Momente an diesem Wochenende war für mich vor dem letzten Film. Ich habe jeden einzelnen Film angekündigt und vor jeder Vorführung das Publikum gebeten, sich kurz im Zwiegespräch untereinander auszutauschen, warum sie diesen Film sehen wollen – am besten mit einer ihr unbekannten Person. War es am Morgen noch so, dass nicht jeder sich an dieser Aktion beteiligte, waren vor dem letzten Film die Menschen komplett gelöst und „aufgetaut“; sie hätten sich noch viel länger hätten austauschen können, als nur in der dafür vorgegebenen Zeit. In dem Moment hatten wir unser Ziel erreicht: Unsere Intention war, dass die Menschen nicht nur einen Film konsumieren, sondern wirklich miteinander ins Gespräch und in Kontakt kommen. Das war eine tolle Ernte des Tages.

Aprospros in Kontakt kommen: Einer der Workshops im Rahmenprogramm zur Utopianale war für Menschen gedacht, die konkret daran interessiert sind, eine SoLaWi-Kooperative zu gründen. Ist das auf fruchtbaren Boden gestoßen?
Das kann ich natürlich so wenige Tage danach nicht sagen. Zumindest hat die Gruppe untereinander Adressen ausgetauscht und ein neues Treffen vereinbart. Ich drücke die Daumen, dass sich ein konkretes Vorhaben entwickeln. Bei diesem Workshop haben wir allerdings auch gemerkt, dass wir noch klarer kommunizieren müssen: Da waren Menschen dazu gestoßen, die bereits ein Gemeinschaftsprojekt haben, anstatt eines gründen zu wollen, und eher die Werbung im Sinn hatten. Das war ursprünglich nicht die Idee des Workshops.

Nach diesem tollen Erfolg: Hegst Du mit Deinem Team schon Pläne für eine erneute Utopianale?
Das Baby „Utopianale“ ist noch lange nicht erwachsen, es ist ja gerade erst einmal ein Jahr alt. Aber erst einmal ist das Kind jetzt bei Oma und Opa; die letzten Wochen waren doch sehr anstrengend, so dass ich jetzt ein wenig entspannen und die Seele baumeln lassen mag. Grundsätzlich ist das Wochenende nach der Berlinale aber ein perfekter Zeitpunkt für ein nachhaltiges Filmfestival. Ich finde, dieses Wochenende im Februar 2015 kann schonmal geblockt werden.

Vielen Dank für das Gespräch, lieber Felix!


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